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Günther Koch Revisited – Voll In Den Mann

2 CDs

Es gibt kaum eine große Zeitung, die noch nicht über Günther Koch geschrieben hat. Bisher sind zwei CDs mit Radioreportagen der "Stimme Frankens" erschienen. "Wir rufen Günther Koch“ und der zweite Teil "Wir hören Günther Koch". Im April 2001 wird Günther Koch sein 25. Jahr als Sportreporter beginnen und es war Zeit für eine weitere Ehrung. Keine nochmalige Auswahl seiner Reportagen, vielmehr wird ihm durch verschiedene Künstler ein Denkmal gesetzt.
"Günther Koch revisited – Voll in den Mann" wurde vom 14.03. bis 25.04.2001, immer mittwochs um 16:05 Uhr, von Bayern2Radio ausgestrahlt. Parallel dazu erschien die gleichnamige Doppel-CD. Am 07.03.01 traten im Rahmen der "intermedium records ballnacht" Dr. Walker, FM Einheit, Hans Platzgumer und DJ Gringo in der t-u-b-e auf. Sie bearbeiteten live altes und aktuelles Material von Günther Koch.
Für "Günther Koch revisited – Voll in den Mann" wurde 20 verschiedenen Künstlern eine Auswahl seiner bereits auf CD erschienenen Reportagen, sowie unveröffentlichtes Material überlassen, damit sie den Stoff auf ihre Weise verwenden. Dabei gab es kaum Vorgaben - die Länge des Beitrages sollte möglichst nicht über zehn Minuten liegen und seine Worte (Original oder Zitat) mussten verwendet werden. Das Ergebnis liegt auf CD vor und ist seit 19.03.2001 im Handel erhältlich.

Der bayerische Beatman
Wenn denn ein Mann des Fußballs, ein Mann des heutigen, durch und durch schäbigen Medienfußballs, wenn denn so einer erst zur sog. "Kultfigur” und jetzt zur Figur der Kunst, zum Gegenstand der Medienkunst, zur Kunstfigur hat werden können: dann muß er schon Günther Koch heißen.

Nun horcht zwar inzwischen das meiste auf den Namen Kunst oder trägt den Titel des Kunstwerks (vor sich her), doch das schmälert den mit "Günther Koch Revisited – Voll in den Mann", dieser Symphonie in zweiundzwanzig Partien, unternommenen Versuch nicht, einen lebenden Klassiker der Sportberichterstattung, genauer: der Radiolivereportage zu würdigen, zu ehren, ein wenig auch, das gehört zum guten Ton zeitgenössischer Kunst, zu destruieren, meinethalben zu dekonstruieren.

Freilich wäre die Frage nicht gänzlich unangemessen, ob man Koch, oft und zu Recht "Poet” und "Virtuose” und "Künstler” gerufen und mehrfach ausgezeichnet (u. a. die "Viktoria” der Sport Bild und den "Herbert-Zimmermann-Preis" der ARD räumte er ab), ob man einen, der sein eigener DJ ist, zu überbieten, zu nobilitieren, quasi zu überkunsten vermag. Koch improvisiert wie kein zweiter; Koch schnalzt, schreit, brüllt, wispert, singt, fleht, flennt, feiert, verflucht und verherrlicht feurig und fidel; Koch moduliert manisch, schichtet Satzungetüme aufeinander, montiert und kombiniert besessen das Unvereinbare, den hellen Klang der hymnischen Begeisterung mit der Abschweifung, den dialektalen Sound mit dem Bildungsaperçu, das lapidare Geschwätz mit der konzentrierten Informationsweitergabe, die sachliche Schilderung mit dem Furor des Fans. Was und wer soll ihm, dem Originaltenor, dem, sagen wir, Pavarotti oder, hm, evtl. eher Bergonzi des Mikrophons, gerecht werden?
Ror Wolf, der unerreichte Magier des Mediums und der Kunstform Hörspiel, der dem fast verblichenen alten Radio "etwas angenehm Gefährliches, etwas zart Unerlaubtes” attestierte und seine berühmten Stücke Der Ball ist rund und Schwierigkeiten beim Umschalten noch in tage- und nächtelanger Klebefron fertigen mußte – Ror Wolf stand das Equipment unserer Zeit leider nicht zur Verfügung und dürfte staunen, welcher Kunstanreger Günther Koch den avanciertesten Autoren, Tüftlern und Musikern ist; denn, die artistische Finesse beiseite, etwas merkwürdig Pathetisches und Melancholisches durchflutet oder -flackert selbst die fiebrigen Computersequenzen, die Kochs Lautzittrigkeit antworten; oder die Samples, die mit dem Kunsterzeuger und dessen Wortkaskaden, Rederhythmen, Interjektionen und Metaphern ein ihrerseits reizendes, zuweilen verwirrendes Spiel treiben; oder den zum Schwelgen resp. zum Tanz auffordernden Popsong; oder die Loops, die Kochs Privatrituale beschwören, verpacken und konservieren für andere Zeiten, da niemand mehr solche Stimmen und Stimmungen des Dampfradios wird einfangen können.

Viele, nein: alle hier versammelten Beiträge danken dem charmanten Erst- und O-Ton des bayerisch-fränkischen Beatmans durch schiere Infiziertheit, Hingabe. Da teilt sich einerseits der Schmerz mit, den der unglaubliche 99er Abstieg des 1. FC Nürnberg Günther Koch bereitete ("Ich will das nicht mehr”), und zwar gesteigerter, reiner, zum ästhetischen Ausdruck kondensiert; andererseits quillt und quallt und sprudelt und wabert die pure Passion des Fußballaficionados, mal gebändigt, mal verstärkt bis zum blanken Getöse und Krawall, mal nah am Material, mal jenem fern, die Idee dessen fortsetzend, umwandelnd, neu formulierend, was die höchste und leicht archaische Gestalt des Journalismus, der Livebericht des Radioreporters, derart schwer faßbar macht.

Ja, eine Liaison Koch und Hörspiel/Musik, "das ist nicht ganz unrisikovoll” (Koch), um nicht zu raunen: ist nicht ganz voller Unrisiko. Und da es aber womöglich, mit Kafka zu unken, den Fußball demnächst dahinrafft, die Erinnerung, o herrlicher Trost, an seine schönsten, wundersamsten Momente ("Babbel! Babbel! Babbel! Babbel!”) bleibt, unserem Kollektivgedächtnis einverleibt, aufbewahrt in tönenden Werken der ewig olympischen Kunst. Irgendwie so jedenfalls.

Jürgen Roth

intermedium rec. 007
ISBN 978-3-939444-08-4
Wenige Restexemplare
20.– €

 

   
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