|
|
¬ über ¬ neues ¬ records ¬ künstler ¬ kontakt ¬ links |
Von Texten, Stimmen und Apparaten 13 radiophone texte und das röcheln der mona lisa sind wieder zu entdeckende frühe Aufnahmen und Produktionen des Wiener Dichters Ernst Jandl (1925-2000). Zur Entstehung der 13 radiophonen Texte äußerte sich Jandl in einem Rundfunkmanuskript, das er 1970 anlässlich der Produktion des Hörspiels das röcheln der mona lisa für den Bayerischen Rundfunk schrieb, welches im Auftrag des Hörspieldramaturgen Hansjörg Schmitthenner entwickelt und in München realisiert wurde: "Ich hatte 1966
für das dritte Programm der BBC London dreizehn meiner Sprechgedichte
auf Band gesprochen und gemeinsam mit zwei Technikern mit den Maschinen
des Radiophonic Workshop in London zu einer halbstündigen Sendung
verarbeitet, die unter dem Titel Laut und Luise zu hören war
und vom Leiter dieses Experiments, George MacBeth, in seinem Vorwort als
eine Arbeit im Grenzbereich zwischen Dichtung und Musik bezeichnet wurde. Sprechen und Verstummen, Stimme und Apparate, Stimme und Krankheit, Krankheit und Tod - um diese Begriffe kreisen Jandls Überlegungen zu dem Hörspiel das röcheln der mona lisa. Deutlicher kann ein Dichter kaum Hinweise auf die existentielle Dimension seines Werks geben, das insgesamt betrachtet ebenso von Komik wie Tragikomik und von Humor wie Depression bestimmt ist: "Abweichungen von der Sprachnorm beschäftigen mich, aus Lust an der Sache und auch an der Wirkung, die sich damit auf andere erzielen läßt, schon die längste Zeit; auch der nächste Schritt, die Abweichung von der Sprechnorm, war schon vor Jahren erfolgt; er ließ sich aber immer wieder tun, ohne daß es eine Wiederholung war, und hatte eine ganz andere Wirkung. Erweckte die Abweichung von der Sprachnorm oft Heiterkeit, so die Abweichung von der Sprechnorm fast immer Mitleid und Furcht. Die Arbeit mit solchen Mitteln zum künstlerischen Programm zu erheben geschah nicht ohne vorangehende Erlebnisse: der Kontakt mit am Kehlkopf Erkrankten bzw. Operierten sowie das Hören von Bandaufnahmen von Sprachabläufen Geisteskranker und Sprechgestörter spielten dabei eine Rolle. Ebenso der schon erwähnte Ärger über die Überbewertung der in jedem Augenblick von Niedergang und Tod bedrohten Stimme. Ausersehen zum Sprecher meines noch nicht vorhandenen Textes, mußte ich in der Pressenotiz einschränkend sagen: Nötigenfalls ist diese Bedingung, auch unter Beihilfe technischer Apparaturen, zu simulieren. Ich konnte nicht darauf zählen, daß die kurze Frist, die mir gesetzt war, bereits die teilweise Zerstörung meines Kehlkopfs oder die Störung meines Sprechzentrums mit einschloß. Als Dichtung der Sprachfetzen, hieß es programmatisch weiter, der rasenden wie der zerbrechenden Stimme, ist ihr Gegenstück das Chaos des Sichtbaren im Blick ohne Fokus, die Kritzelei ihre bevorzugte Partitur. Dieser Satz, ebenso wie der musikalische Ablauf, der dann tatsächlich zustande kam, hat mit der Existenz zu tun, hier und jetzt, und zwar mit meiner, von der ich weiß, daß sie nicht einzigartig ist, nicht einmalig, nicht meine allein; jeder starrt vor sich ins Leere. Dann heißt es noch von Dichtung dieser Art: Sie erfaßt Sprache als Körpergeräusch, verwirft die Idee des Konstruktiven und beseitigt das Possierliche aus der Dichtung. Unter dem Possierlichen ist gemeint, was allgemein als schön gilt - Mona Lisa." Herbert Kapfer intermedium
rec. 014
|
|||||
über • neues • records • künstler • bestellen • kontakt / impressum • links |