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VÖ: 18.08.2006 Hg. von Wolfgang Müller und Barbara Schäfer "Ich glaube nicht, daß ich als Maler angefangen habe. Ich habe eigentlich als Dichter angefangen", sagte Dieter Roth 1981 in einem Interview mit der Radioautorin Mechthild Rausch. De facto war der Wahlschweizer und -isländer Roth Grafiker, Schmuck- und Möbeldesigner, Filmemacher, Maler und Bildhauer, Dichter und Musiker. Zwischen 1956 und 1998 realisierte Roth mehr als 200 Buchprojekte mit Texten aller Art, darunter etliche Gedichtsammlungen. Ebenso entstanden zahlreiche Musikaufnahmen, von denen er mehr als 20 in liebevollen Kleinst-Editionen auf Vinyl oder als Kassetten veröffentlichte. Roth war einer der vielseitigsten deutschen Künstler des 20. Jahrhunderts. Seit seinem Tod 1998 wurde er bereits mehrfach international in großen Werkschauen und Ausstellungen geehrt. Auch erschien im Jahr 2005 eine Sammlung von Prosa und Lyrik Roths, die auf die Bedeutung seines unverwechselbaren literarischen Werkes noch einmal aufmerksam macht. Musikmachen war für Dieter Roth nicht nur ein klangliches Experiment sondern ein Mittel, die Zusammenarbeit zwischen Künstlern zu pflegen. Roth zeigte seine Vorliebe für Kollaborationen bei konzertanten Performances mit künstlerisch-musikalischen Laientruppen, wo Schallplatten wie Selten gehörte Musik, Novembersymphonie oder Langstreckensonate aufgenommen wurden. Filmkamera und Tonbandgerät spielten eine erhebliche Rolle bei Solo- und Gemeinschaftsarbeiten. Roth war ein Verfechter des Prozesshaften. Nichts musste so bleiben, wie es entstanden war, Überarbeitungen und Übermalungen waren ihm genauso Recht wie die Verwendung von Materialien, die Verfall und Verwesung des Kunstwerks mit sich brachten. Eine andere, nur vordergründig gegenläufige Ästhetik verfolgte er mit Tonbandaufnahmen und Radiosendungen sowie aufgezeichneten Interviews. Roths Vorgabe war hier immer, alles komplett ungeschnitten, mitsamt aller Nebengeräusche und -handlungen zu dokumentieren. In der Textsammlung Mundunculum äußerte er bereits 1967 die Vermutung: "Bloß gesprochene Worte haben [dagegen] die Eigenschaft auf- und wegzufliegen (das der Armierung der Sprache verwendete Material – die Töne z.B. – haben ja einen Festigungsfaktor von annähernd null). Doch lasse man mich hier auf den – wie es jetzt schon scheint – tremenden Festigungsfaktor des in magnetischen Tonbändern enthaltenen Armierungsmaterials hinweisen, der innerhalb der Tendenzgruppen dieses Buches nicht berücksichtigt werden soll, da es dem Vortragenden hier nur um einen sozusagen ferienhaften Aufenthalt bei oder: Schrebergärtnerhafte Bearbeitung der papierenen Literaturpflanzen zu tun ist." Das Dieter Roth
oRchester spielt kleine wolken, typische Scheiße und nie gehörte
musik ist Teil einer von BR Hörspiel und Medienkunst initiierten
dreiteiligen Radio-Hommage an Dieter Roth. Unter dem Motto jeder ist.
so ein lärm waren Künstler/Autoren/Musiker eingeladen, sich
ausgewählter literarischer und musikalischer Arbeiten und teils unveröffentlichter
Materialien Roths anzunehmen. Es entstanden popmusikalische Konzepte,
Songs, Kompositionen und Radiotexte einer jüngeren Generation, die
sich von Roths Werk inspiriert und beeinflusst sieht, in Deutschland wie
in Island, seiner zweiten Heimat. Die oft zarte, zurückgenommene,
aber auch kontroverse und kalauernde Lyrik eignete sich überraschend
gut als Textbasis für die Popsongs der Musiker, die Wolfgang Müller
als Dieter Roth Orchester zusammengebracht hat. Auch wenn sie nicht
gemeinsam auf einer Bühne oder im Studio auftraten, war das Kollaborative
im Sinne Roths schon in der Person Wolfgang Müllers und der vielfachen
Vernetzung der Künstler und Musiker aus Island, Berlin, Hamburg und
Köln untereinander gegeben. Die Radio-Hommage an Dieter Roth konnte
mit Hilfe langjähriger Begleiter und Kenner seiner Arbeiten entstehen,
deshalb geht mein Dank an Björn Roth, Hansjörg Mayer, Barbara
Wien und Johannes Ullmaier. Wenn sich das
Leben richtet nach dem Falle wieder auf, hab ich die Falle schon gesichtet
und haue dem Leben eins drauf (Dieter Roth). "Frühe Schriften
und typische Scheiße" stand auf dem Cover, "1975 vorm
einstampfen bewahrt und in zusatzumschlag herausgegeben von edition hansjörg
mayer stuttgart london reykjavík". Ich entdeckte das Buch
als Ramschware in einer Grabbelkiste vor einer Buchhandlung am Berliner
Ku'damm. Das war 1981 und das Teil kostete drei Mark. Ursprünglich
1973 in der Sammlung Luchterhand erschienen waren nur ein paar wenige
Exemplare verkauft worden. Der Rest wartete nun in neuem Einband –
rotbraune Lettern auf weißem Stoff – auf interessierte Käufer.
Offensichtlich vergeblich. Dieter Roth: Grafiker, Maler, Bildhauer, Filmemacher, Dichter und Musiker (1930-1998). Lebte in der Schweiz, Island und Deutschland. Zahlreiche Gemeinschaftsarbeiten mit u.a. Daniel Spoerri, Arnulf Rainer, Oswald Wiener, Richard Hamilton, Emmett Williams, Dorothy Ianonne und seinem Sohn Björn Roth. DAS DIETER ROTH ORCHESTER Andreas Dorau: Hamburger Musiker, Texter und Komponist. Veröffentlichte seit 1981 zahlreiche Pop-Alben, kam mit Fred vom Jupiter und Girls in Love in die internationalen Charts. Arbeitet als Autor und Berater im Bereich Film und Video. www.andreas-dorau.de Ghostigital: Ex-Sugarcubes-Sänger und Poet Einar Örn und Curver aus Island, die mit Gesang, Gitarren und Elektronik in Industrial Sounds von Naturphänomenen singen. www.ghostigital.com Khan: finnisch-türkischer Background, Zusammenarbeit mit Diamanda Galas, Kid Congo Powers, Jon Spencer, Françoise Cactus, Jimi Tenor, Little Annie, Brigitte Fontaine, Romuald Karmakar u.v.a. und doch ein Einzelgänger. www.myspace.com/khanoffinland Max Müller: gründete 1980 die legendäre Punk-Band Honkas, 1982 in Berlin Camping Sex, 1986 Mutter, bis heute Sänger und Kopf der Band. Seit 1995 auch eigene Kompositionen, Solo-CDs. www.maxmueller.org Mouse on Mars: Jan St. Werner und Andi Toma, Elektronikteam aus Köln, haben sich bereits auf ihrer 2001 erschienenen CD ideology mit Dieter Roths Arbeiten beschäftigt. Hier präsentieren sie exklusiv einen neuen Mix ihres damaligen doit-tracks. www.mouseonmars.com Mutter: (Martin
Höfermann, Florian Körner von Gustorff, Tom Scheutzlich, Kerl
Fieser und Max Müller). Namosh: Berliner Elektropunksolist, der seine prominenten Auftritte in Varietégestalt als orts- und zeitbezogene Ich-Installationen darbietet. www.namosh.de Stereo Total: Françoise Cactus und Brezel Göring, bringen seit 1995 (allo j'écoute) in minimalistischem Stil von Berlin aus französische Kultur ins deutsche Popgeschäft. 7 CDs, diverse Aktionen im Popkontext, BR-Hörspielproduktion Autobigophonie (2004). www.stereototal.de Trabant: Elektronik-Rocker und Kunst-Performer aus Island. Sänger Ragnar Kjartansson ist Maler, Bildhauer und Musiker. Sein Großvater Ragnar Kjartansson und Dieter Roth stellten in den sechziger Jahren gemeinsam Keramik-Objekte auf Island her. www.this.is/rassi Wolfgang Müller: Berliner Autor, Musiker, Produzent, bildender Künstler, Hörspielmacher. Vernetzt international Künste und Künstler sowie Island und Deutschland. 1980-87 Die Tödliche Doris. Videoprojekte, Ausstellungen und Konzerte, u.a. mit dem Walther von Goethe Quartett, als Úlfur Hrodólfsson. www.wolfgangmueller.net Wollita: Topflappenhäkelpuppe von Françoise Cactus, wurde über Nacht durch Boulevardmedien zum Superstar. Als Ghostwriter schrieben Wolfgang Müller und Françoise Cactus gemeinsam Wollitas Biographie, verliehen ihr eine Stimme und machten sie mit Armand & Bruno bekannt, den singenden Tuntenfischen aus Wolle. intermedium
rec. 026
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