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Michaela
Melián
Speicher
CD
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Speicher
Redaktion:
Katarina Agathos / Herbert Kapfer
Mitwirkende: Stefan Merki, Hans
Kremer, Peter Brombacher, Christos Davidopoulos, Chris Dercon, Laura
Maire
Komposition: Michaela
Melián / Carl
Oesterhelt
Herausgegeben von
Katarina Agathos / Herbert Kapfer
Bayerischer Rundfunk / Hörspiel und Medienkunst
Thematischer und formaler Ausgangspunkt
für »Speicher« ist »VariaVision
– Unendliche Fahrt«, die 1965 realisierte, heute
verschollene intermediale Arbeit von Alexander Kluge (Texte), Edgar
Reitz (Filme) und Josef Anton Riedl (Musik) zum Thema des Reisens.
»VariaVision« versuchte als Rauminstallation durch
die gleichzeitige Vorführung und Wiedergabe von Filmen,
mehrkanaliger Musik und Sprache eine neue und andere Wahrnehmung von
Musik, Film und Text zu verwirklichen. Reitz und Kluge unterrichteten
damals an der internationalen Hochschule für Gestaltung (HfG)
Ulm, die in der kurzen Zeit ihres Bestehens zwischen 1955 und 1968
maßgeblich die deutsche und internationale Design-, Kunst-
und Mediengeschichte geprägt hat. Die HfG führte als
private Hochschule, getragen durch die Geschwister-Scholl-Stiftung, die
gewaltsam beendete Tradition des Bauhauses fort und definierte
für die BRD die Begriffe Moderne / Utopie / Gestaltung /
Alltagskultur / Erziehung / frühe digitale Kultur im Sinne
eines demokratischen und ästhetischen Neuanfangs in
Deutschland nach 1945, zwischen Utopien und Realitätssinn. So
befand sich in der Hochschule ab 1963 eines der ersten elektronischen
Studios in Westdeutschland, das 1959 in München
gegründete Siemens-Studio für elektronische Musik.
Das Studio mit seinem Versprechen von neuen, rein elektronisch
erzeugten Klängen, wurde seinerzeit sehr erfolgreich
international von Komponisten und Musikproduzenten genutzt, heute ist
es im Deutschen Museum München ausgestellt. Riedl realisierte
in diesem Studio die Musik für
»VariaVision«. Für
»Speicher« hat Michaela Melián das
Studio im Deutschen Museum München noch einmal zum Klingen
gebracht. Diese Klänge, Töne, Geräusche
wurden aufgezeichnet und bilden die klanglichen Basisbausteine
für »Speicher«. Dazu verschränkt
sie Aussagen und Texte zu Reise und Bewegung zu tönenden
Schleifen und Spiralen.
Kunst und Diskurs
Das Motiv des Reisens, Wanderns, des Gefühls des Fremdseins,
der Entfremdung, der Suche und Sehnsucht nach dem Fremden, dieses
»doppelte Leben« (zwischen Wirklichkeit und
Einbildung) entfaltet sich hier entlang von sich permanent
durchkreuzenden Diskursen als Mehr- und Vielstimmigkeit unendlicher
Potentiale. Schuberts »Winterreise«
(»Fremd bin ich eingezogen, fremd zieh ich wieder
aus«) und Alexander Kluges Motto »Mit dem Stadtplan
von London den Harz durchwandern« (aus
»VariaVision«) treffen auf Texte über
Migration, Schleppertum, Deportation und werden ihrerseits immer wieder
durch GPS-Ansagen durchschnitten, die ein gänzlich anderes
Reisen (ein kontrolliertes, vorgegebenes) ins Spiel bringen. Auch das
macht »Speicher« klar. Das romantisch
Geheimnisvolle, die Lust (und Freiheit) sich auf etwas Unsicheres
einzulassen, kippt immer wieder ins Unheimliche, führt ins
Nichts (wird zum Zwang) und kommt immer wieder beinahe zum Stillstand
(wo dann auch die Musik verschwindet/abbricht). Meliáns
»Politik der Erinnerung« ist eine popkulturell wie
diskursanalytisch geschulte Bearbeitung von Geschichte und Geographie.
Gerade das von ihr immer wieder bearbeitete »Zeitloch
BRD« (Jan Verwoert), grob situiert zwischen dem
Nationalsozialismus, der RAF und immer wieder um Bernward Vespers 1977
erschienenen Roman Die Reise kreisend, ist seit dem Mauerfall immer
mehr einem Vergessen qua institutionalisierter Erinnerungskultur
ausgesetzt. Meliáns Arbeiten setzen dem das Wiederentdecken
von non-konformen Potentialen entgegen, von aus der Geschichte
gefallenen Menschen und Utopien (sozialen, politischen,
öko-nomischen, technischen, ästhetischen, sexuellen,
ethnischen, medialen). Kurz: Kunst als Diskursintensivierung, als
permanente Kartografie mit immer neuen Orten, Personen, Begebenheiten,
Geschichten, Zeichen, Wegen, Linien und Kreuzungen. Man muss nur den
Fäden, Linien, oder Melodien folgen. Vielleicht meint Pop in
diesem Zusammenhang ja auch, dass den Fährten hin zu den
intendierten Diskursen auch ohne kontextuellem Vorwissen gefolgt werden
kann.
(Didi Neidhart)
Konzeption und Text: Michaela Melián
Komposition: Michaela Melián / Carl Oesterhelt
Mitwirkende: Stefan Merki, Hans Kremer, Peter Brombacher, Christos
Davidopoulos, Chris Dercon, Laura Maire
Ton und Technik: Wilfried Hauer / Susanne Herzig
Assistenz: Katja Langenbach
Realisation: Michaela Melián
Redaktion: Katarina Agathos / Herbert Kapfer
Produktion: Bayerischer Rundfunk / Hörspiel und Medienkunst in
Zusammenarbeit mit den Münchner Kammerspielen 2008
intermedium
rec. 066
Erschienen im Februar 2016
CD, 4 Seiten, Digipak
ISBN 978-3-943157-24-6
Empf. Preis 15,00 €
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