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Frank Witzel
Die
Erfindung der Roten Armee Fraktion durch einen manisch-depressiven
Teenager im Sommer 1969
Doppel-CD
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Die Erfindung der
Roten Armee Fraktion durch einen manisch-depressiven Teenager im Sommer
1969
Bearbeitung: Frank Witzel und Leonhard Koppelmann
Musik: Frank Witzel
Ton und Technik: Gerhard Wicho, Daniela Röder
Besetzung: Andrea Fenzl
Regie: Leonhard Koppelmann
Dramaturgie und Redaktion: Katarina Agathos
Produktion: BR Hörspiel und Medienkunst 2016
Ursendung:
Bayern 2, 25. Juni 2016
Laufzeit: 158 Min.
Gudrun
Ensslin, eine Indianersquaw aus braunem Plastik, und Andreas Baader,
ein Ritter in schwarzglänzender Rüstung –
so vermischen
sich im Kopf des 13-jährigen namenlosen Erzählers in
Frank
Witzels Roman Die Erfindung der Roten Armee Fraktion durch einen
manisch-depressiven Teenager im Sommer 1969 – die politischen
Verwerfungen in der BRD des Jahres 1969 mit seinen
kindlich-spielerischen Fantasien.
Das Jugendzimmer wird hier zum Echoraum der Geschichte und der hier
ausgetragene Aufstand gegen die Trias Familie, Staat und Kirche ist
nicht minder real, als die von der RAF geträumte Revolution
auf
bundesdeutschen Straßen. Zusammen mit dem Teenager begeben
wir
uns in den oszillierenden Raum seiner manischen-depressiven
Störung – seine Lebensorte überlagern sich
und
verwischen, da erscheinen das bereits erwähnte Jugendzimmer
ebenso, wie der letzte Ort seines kurzen Lebens im
Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf.
In diese Echoräume schieben sich aber immer wieder auch
konkrete
Lebenserinnerungen des Teenagers. Die Vergangenheit, ihr Geruch, ihr
Geschmack und die darin wohnenden Ängste und Traumata brechen
durch eine mühsam geklitterte Oberfläche, genauso wie
in
dieser Zeit die Wundkrusten der bundesrepublikanischen
Nachkriegsgesellschaft aufreißen und die Metastasen der
verborgenen und verdrängten Nazizeit plötzlich
freilegen.
Seine Jugend zwischen Kirche und Krankheit setzt den jugendlichen
Erzähler fortwährenden Befragungs-, Verhör-
und
Geständnissituationen aus – ob in seiner Therapie
oder im
Beichtstuhl.
Und mit jeder Frage und jedem Geständnis brechen neue Krusten
auf.
Schließlich erliegt er diesem inneren Zeitbeben.
Über seine
manisch-depressive Störung befindet der Erzähler
dabei,
„man ist ja nicht immer wahnsinnig, sondern man ist
wahnsinnig
und dann wieder nicht, so wie man liebt und dann wieder
nicht.“
So unstet wie seine Zustände ist auch seine
Erzählung, und so
befindet er weiter: „erlöse uns von unseren Gedanken
und
Meinungen und dem Versuch, Geschichte zu rekonstruieren und immer
gleiche Gedanken in Wiederholungen zu perpetuieren und damit das
kardiovaskuläre System langsam nach unten zu
fahren.“
Das Aufheben der linearen und chronologischen Erzählweise ist
hier
eben nicht erzählerisches Mittel zum Zweck, sondern Ausdruck
dieser „frei in der Zeit flottierenden
Geschichtsschreibung“, mit der sich Frank Witzels Roman gegen
die
herkömmliche Deutung der Geschichtsschreibung und
Interpretation
wendet.
Katarina Agathos:
Die
1960er Jahre könnte man als die Pubertätsjahre der
BRD
beschreiben. Wäre es für Sie denkbar, Ihren Roman in
einer
anderen Zeit spielen zu lassen?
Frank Witzel:
Nein,
eigentlich nicht. Warum ich diese Zeit unbedingt beschreiben wollte,
liegt genau in dem Zusammentreffen von zwei Pubertäten, zum
einen
die Pubertät des Teenagers und zum anderen die der
Bundesrepublik.
Der Teenager ist zwar noch kindlich, aber er reflektiert dieses
Kindlichsein bereits. Er ist noch kein Erwachsener, eigentlich auch
noch kein Jugendlicher, aber er bewegt sich in die Richtung und stellt
sich entsprechende Fragen: Was ist Sexualität? Was ist
Politik?
Wie funktioniert eine Abgrenzung zu den Eltern? Was ist Vergangenheit?
Mit welcher Historie wachse ich auf? Gleichzeitig gibt es einen
gesellschaftlichen Bruch. Der Teenager lebt in der Kleinstadt Biebrich,
in der Provinz. Dort ist das Beharrungsvermögen der 1950er
Jahre
noch ganz stark: Kirche, Familie, Schule und Staat funktionieren hier
noch als Autoritäten. Er ist nicht in Berlin, Hamburg,
München, oder im nahegelegenen Frankfurt, wo die Oberstufler,
die
großen Brüder, ein relativ lockeres Leben
führen, wo
sie protestieren, wo der Pop, der Beat schon integraler Bestandteil
einer Lebenskultur sind. Bei ihm ist es eher grau. Allerdings zeigen
sich hier und da erste bunte Flecken in Form von Beat-Musik und
Flowerpower. Die Veränderung des Teenagers und die
Veränderung der Bundesrepublik, beide habe ich quasi
exemplarisch
in diesem Sommer 1969 zusammengefasst und beschrieben.
(Auszug aus dem Booklet)
Der Autor
Frank Witzel, geb. 1955 in Wiesbaden, Autor, Essayist, Zeichner,
Musiker. Für seinen Roman Die Erfindung der Roten Armee
Fraktion
durch einen manisch-depressiven Teenager im Sommer 1969 erhielt er den
Deutschen Buchpreis 2015 sowie den Robert Gernhardt Preis 2012. Weitere
Veröffentlichungen u.a. Bluemoon Baby (2001), Revolution und
Heimarbeit (2003), Vondenloh (2008).
intermedium
rec. 067
Erschienen im September 2016
Doppel-CD, 4 Seiten, Digipak
ISBN 978-3-946875-50-5
Empf. Preis 20,00 €
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